Mit Hängepartie und Schwarzsieg gegen Nobelpreisträger fast zum IM-Titel

Mit Hängepartie und Schwarzsieg gegen Nobelpreisträger fast zum IM-Titel

 „Das 7. Lichtensteiner Open war das bislang stärkste. Nicht weniger als 6 Großmeister, 23 Internationale Meister und 20 FIDE-Meister waren unter den 163 Teilnehmern im herrlich gelegenen Schellenberg.“

So steht es in der Mai Ausgabe der Europa-Rochade aus dem Jahr 1989.

Warum ist das so interessant?
In der Europa-Rochade wurde über den 12-jährigen Demis Hassapis berichtet (der Bericht steht weiter unten zum Download bereit).
Heute heißt er Demis Hassbis und hat vor wenigen Tagen den Chemie-Nobelpreis erhalten.

Die Internetseite www.chess-international.com schreibt dazu:
„Der britischen KI-Forscher Demis Hassabis, begeisterter Schachspieler und Mitbegründer der Firma Deep Mind, die mit ihrer Entwicklung Alpha Zero das Computerschach revolutionierte, erhält als einer von drei Forschern den Nobelpreis für Chemie. Zusammen mit John Jumper wird Hassabis für seine Forschungen zu Proteinen ausgezeichnet.“

Bei dem Turnier in Lichtenstein 1989 waren einige heimische Schachspieler dabei, die heute noch aktiv sind.
Bester FIDE-Meister mit 6,5 Punkten war u.a. Carsten Pieper-Emden, der seit vielen Jahren wieder für Bünde in der NRW-Liga am Brett sitzt.
1987 hat Carsten in Lichtenstein die erste IM-Norm erspielt. Nach der zweite Norm 1988 in Pula (Istrien) sollte 1989 die dritte Norm und somit der IM-Titel folgen.
Trotzt der sehr starken Turnierleistung verpasste Carsten die Norm, holte die aber später noch nach und darf sich seitdem mit dem Titel es internationalen Meisters schmücken!

In dem Bericht der Europa-Rochade steht, dass Demis gegen Carsten ein zweizügiges Patt übersehen hat.

Das wollen wir uns genauer ansehen.

Damals gab es noch Hängepartien (die älteren werden sich erinnern). 
Carsten berichtet, dass die Runden in Lichtenstein immer nachmittags gespielt wurden und die Partie gegen Demis nach dem 52. Zug abgebrochen wurde.
Am nächsten Vormittag ging es dann mit dieser Stellung weiter (Weiß am Zug):


53.Kb4 Sd4, 54.Tcg6 Sf5, 55.Th7 Lf4, 56.Th8 Le5, 57.Thg8 Th5, 58.h7 Se7, 59.Txg5+ Txg5, 60.h8=D Sxg8, 61.Dh1 Sf6, 62.Dg2+ Kf5, 63.Dc2+ Ke6, 64.Dc8+ Ke7, 65.Db7 +Sd7, 66.De4 Th5, 67.De3 Th2, 68.Dg5+ Kd6, 69.Dg6+ Kc7, 70.Df7 Th6, 71.Kc4 Td6, 72.Dh7 Td4+, 73.Kb3 Kb6, 74.Dg6+ Kb5, 75.De8 Td2, 76.Ka3 Ld6+, 77.Kb3 Lb4


Und nach dem 77. Zug dann diese Stellung (Weiß am Zug).


Weiß ist in Zugzwang und muss die Dame ziehen.

Schwarz droht mit Sc5 Matt oder Damengewinn.

Allerdings kann sich Weiß ins Remis retten:



Und zwar mit De2+.

Auf Txe2 ist Weiß patt und wenn Schwarz Kb6 spielt, folgt Db5+.

 

Der Computer zeigt auch nach Db8+ eine ausgeglichene Stellung an.

Nach Sb6, De8+ und Kc5 kann Schwarz bei einer Unachtsamkeit von Weiß vielleicht wieder hoffen.

 

Beides auf jeden Fall sehr sehenswert!


Carsten hatte damals Glück, dass Weiß die rettende Idee nicht gefunden und die Partie aufgegeben hat.



30 Jahre nach der Partie erinnerte sich Demis noch einmal an die Partie und zwar in einem Bericht, der auf der Seite www.sciencefocus.com nachzulesen ist:



Artikel auf www.sciencefocus.com

Nach 30 Jahren hatte er dabei in der Erinnerung, dass sein Gegner ein erfahrener dänischer Meister war. Aber dieser kleiner Irrtum sei ihm verziehen.


Da der Artikel auf englisch ist, hier die Übersetzung aus dem Google-Übersetzer:

"...Diese Fragen führten zu meiner lebenslangen Obsession mit der Funktionsweise des Geistes und einer Faszination für Philosophie und Neurowissenschaften, aber ein bestimmter Moment sollte die Richtung, die ich für den Rest meines Lebens einschlagen würde, stark beeinflussen.

Ich war 11 Jahre alt und mitten in einem zermürbenden achtstündigen Match mit einem erfahrenen dänischen Meister bei einem großen internationalen Turnier in Liechtenstein.

Wir hatten ein höchst ungewöhnliches Endspiel erreicht, das ich noch nie zuvor gesehen hatte – ich hatte nur meine Dame und mein weitaus erfahrenerer Gegner hatte Turm, Läufer und Springer.

Er hatte einen materiellen Vorsprung, aber wenn ich nur seinen König mit meiner Dame in Schach halten könnte, könnte ich ein Remis erzwingen. Stunden vergingen, während er seine Figuren hin und her schob und versuchte, mich auszumanövrieren, und der riesige Spielsaal leerte sich langsam, als alle anderen ihre Spiele beendeten.

Dann plötzlich, nach Dutzenden von Zügen ohne Fortschritte, schaffte er es endlich irgendwie, meinen König in die Falle zu locken, wobei er mit seinem nächsten Zug scheinbar Schachmatt setzen musste.

Erschöpft und geschockt gab ich auf.


Sofort stand er verblüfft auf. Er lachte und deutete mit dramatischer Geste an, dass ich ein Unentschieden hätte erreichen können, wenn ich nur meine Dame geopfert hätte, um ein Patt zu erreichen.

Im letzten Moment hatte er gerade einen letzten billigen Trick versucht, und es hatte funktioniert!

Mir war bis in die Magengrube übel.

Am nächsten Tag dachte ich über das nach, was geschehen war, und als ich über den vollgepackten Saal voller brillanter Köpfe blickte, erinnere ich mich lebhaft daran, dass ich mich fragte, was wäre, wenn all diese unglaubliche kollektive geistige Anstrengung, die aufgewendet wird, stattdessen irgendwie in etwas jenseits von Spielen gelenkt werden könnte, vielleicht in einen wichtigen Bereich der Wissenschaft oder Medizin, was könnte damit erreicht werden?

Diese Offenbarung markierte den Anfang vom Ende meiner professionellen Schachkarriere, legte aber auch den Grundstein für das, was später DeepMind werden sollte, das Forschungsunternehmen für künstliche Intelligenz (KI), das ich 2010 mitbegründete.

Und obwohl ich am Ende weder Weltmeister noch Profispieler wurde, beeinflussen und prägen die übertragbaren Fähigkeiten, die ich durch Schach verfeinerte, weiterhin alle Aspekte meines Lebens, und deshalb bin ich immer ein großer Befürworter dafür, dass Kinder Schach als Teil des Schullehrplans lernen."



Europa-Rochade Mai 1989

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